Die XII. Weltkonferenz der Wissenschaftsjournalisten – 2023 in Medellín

    
    Beitragsautor:

    Wolfgang Chr. Goede, DKF-Mitglied, München-Medellín
    Wissenschaftsjournalist-Autor-Wissens-Facilitator,  
    Mitbegründer des Weltverbands der Wissenschaftsjournalisten WFSJ
    Mitkümmerer von #wcsj2023.

    Für den Blog im April 2023
  
     Alle Beitragsautoren des DKF-Blogs
     vertreten ihre persönlichen Ansichten.

Alle Fotos © WCSJ/privat

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Sí Se Puede!

Eigentlich ein Wunder! Dass die XII. Weltkonferenz der Wissenschaftsjournalisten in Medellín doch noch zustande kam. Noch vor sechs Monaten steckte der Event in Nebelschwaden. Dann ging’s Schlag auf Schlag. Merke: In Kolumbien läuft manches nicht linear, doch am Ende funktioniert alles, na ja, das meiste.

 

WCSJ2023 Start m/Polit-Prominenz aus der Metropole & Land

 

Milica Momčilović, Präsidentin Weltverband WFSJ, Belgrad und TV-Anker von Radio Television Serbia RTS

 

 

Ximena Serrano Gil, Bogotá, Vorsitzende der Kolumbianischen Wissenschaftsjournalisten/Wissenschaftskommunikatoren ACPC


Vogelsang und Orchideen

Zur WCSJ2023 im Botanischen Garten in der Woche vor Ostern waren weit über 500 Delegierte aus 62 Ländern und Mitgliedsorganisationen des Weltverbands der Wissenschaftsjournalisten WFSJ in die Hauptstadt der Paisas gereist (wie sich Kolumbianer hier nennen). Unterm exotischen Zeltdach, dem Orchideorama, versammelte sich eine bunt-fröhliche Community aus aller Welt. Vorträgen lauschend, diskutierend, spazierend, netzwerkend, speisend, trinkend, lachend.

Ein Science Open Air, in der 30-jährigen Historie dieser Konferenzen in den Metropolen der Welt ein Novum. Bislang waren sie abgehalten worden in Konferenzbunkern aus Glas, Stahl, Beton. In Medellín trällerten Vögel live zum Konferenzgeschehen.

Open Air Science unterm Tropen-Zeltdach


Leguan – ein Aktivist?

„Over the moon, fantastico“, befand das Orga-Trio unisono: Milica Momčilović, Präsidentin Weltverband WFSJ, Belgrad und TV-Anker von Radio Television Serbia RTS; Ximena Serrano Gil, Bogotá, Hauptstadtjournalistin und Vorsitzende der Kolumbianischen Wissenschaftsjournalisten und Wissenschaftskommunikatoren ACPC; Andrew Wight, Cali, Wissenschaftsjournalist aus Australien mit kolumbianischer Staatsangehörigkeit, Medienexperte an der Ingenieurwissenschaftlichen Fakultät Univalle.

Naturverbunden wie nie zuvor! Beim Panel über die ungewisse Zukunft Amazoniens kroch ein meterlanger Leguan plötzlich mitten durchs Publikum. Ein warnender Aktivist?

Leguan im Panel


Biodiversität „comes first!“

Es war die erste große Weltkonferenz von Wissenschaftsjournalisten in Global Süd, jener Weltregion, die man einst Dritte oder unterentwickelte Welt genannt hatte. Die Frage, was Entwicklung ist, wer sie wissenschaftlich definiert, wie selbige vermessen wird, stand erstmals zur Debatte.

Kolumbiens renommierte Biologin Brigitte Baptiste ließ wenig Zweifel: Die Agenden seien unterschiedlich. Nord-Wissenschaften stünden in einer langen Kolonialtradition. Viele Forschende isolierten sich in ihren Labors und Studierzellen von der Gesellschaft, nur: Wissen, seine Durchdringung und Beherrschung sei ein allgemeines Menschheitsgut – „in, from, as nature“. Dies und Biodiversität „come first!“, riet Baptiste.

Zyklisches Naturdenken

Darin müsse Platz sein für indigene Wissenschaft und die unter Lateinamerikas Ureinwohnern verbreitete Kosmovision vom großen Kreislauf allen Lebens. Diesem zyklischen Naturdenken nähert sich zwar der Norden. Gleichwohl Elektromobilität keine Zukunft habe, besonders in Kolumbien: „Zu teuer und Ressourcenraubbau.“

Baptiste wünschte sich von der Weltgemeinde der Wissenschaftsjournalisten, die Forschung, ihre Methoden und Ergebnisse herauszufordern, neue Fragen aufzuwerfen, interkulturelle Dialoge anzustoßen, im tiefen Respekt für alle Menschen, und so stämmige Pfeiler zu setzen im Nord-Süd Brückenbau.

Paisa Blumengruß m/Andrew Wight, Cali, Orga-Komitee, und Monika Weiner, München, Programm-Komitee

 

Biopiraterie und Kaffee-Verkostung

Das fünftägige Programm, auf Englisch und Spanisch simultanübersetzt, war knallbunt – so wie Medellín: Die Kunst packender Themen-Pitche und Dengue-Research, Ethik und Humor in der Wissenschaftskommunikation, Biopiraterie und organoid-zellgestützte Rechner; in den Pausen Edelkaffee-Verkostung, ITER-Fusionsforschung, neue ertragreiche und robuste Saatmittel; begleitende Exkursionen zu Universitäten und Forschungseinrichtungen.

Diese zusammen mit ihren internationalen Partnern hatten sich für die Konferenz ordentlich ins Zeug gelegt. Die Tafel der Sponsoren und Förderer enthielt 50 illustre Namen und las sich wie ein „Who is Who“ weltweiter Forschung, Wissenskommunikation und des Wissenschaftsjournalismus. Für die Logistik sorgte der kanadische Event Manager MCI.

WCSJ2023 Sponsoren

 

WCSJ2023 Workshop


„Might be Anything“

Für die Konferenz war über den Autor und seine jahrzehntelange Einbindung in Kolumbien mit Beheimatung im internationalen Wissenschaftsjournalismus eine Doku gedreht worden. Ein Konferenz-Teaser für die Webseite, hatte der Akteur geglaubt.

Nein, der 7-Minüter wurde zur Einstimmung dem Plenum gezeigt und diskutiert zwischen Regisseur und Darsteller. Das war einschüchternd, am Ende belohnend, weil „Might Be Anything“ gut ankam, Schreib-Glück und Schreib-Leid sowie Schreib-Philosophie reflektierte, besonders Kolumbien mit imposanten Aufnahmen auf die Großleinwand bannte.

Poster zu WCSJ2023-Doku

 

 „Ziege“ auf vier Rädern

Dies inspirierte eine Gruppe von Franzosen, Kanadiern, Schweden zu einem Field Trip durch den Medellín Outback. Der Besuch auf einer Kaffeefarm machte klar: Jede Tasse müsste 10 € kosten! Die mehrstündige Fahrt im Campesino-Überlandbus, der Chiva (Ziege) oder Escalera (Leiterbus), durch die schroffe Andenwelt Antioquiens, über Stock und Stein, zentimeterdicht an senkrechten Abgründen vorbei, war für einige, gestandene Globetrotter, Nervenkitzel und Konferenz-Höhepunkt zugleich. Eine 75-Jährige stemmte sich, die Augen zuhaltend, auf ihrer Holzbank gegen Steilwände.

Field Trip in bulliger Chiva

 

Gruppenbild m/Juan Valdez

 

Praxis Workshop auf Marquesa Kaffeefarm

 

Andenpanorama


Gewiss, nicht jedermanns Ding. Um so mehr dafür die Show zum Konferenzausklang. Ein Wahnsinns-Gig mit allem, was Kolumbien an Musik- und Tanzkunst aufzubieten hat. Montañero, Salsa, Bambuco, Cumbia, mitten drin der gerüsselte Spaßvogel, der „Marimonda“ der Karibik. So ansteckend, dass der gesamte Kongress aufsprang und die Tanzbeine schwang, so wie dereinst der Wiener Kongress, nur mit Latino-Pepp.

Cumbia Kerzentanz

Kathmandu oder Kapstadt?

Das alles: ein stürmischer Aufbruch zur bereits nächsten Weltkonferenz, für die sich Kapstadt und Kathmandu bewerben. Doch vorerst, unterm Strich: Medellín hat Kolumbien und Lateinamerika auf die Weltkarte der Wissenschaft und des Journalismus gestanzt, gegen eine fast unerträgliche Serie von Widerständen, Konflikten, den Schwarzsehern rund um die Welt, vier holprige Jahre lang und durch die Schluchten der Pandemie.

Spätestens mit dem rauschigen Schlussakkord – Schnee von gestern. Geht doch, oder?

Sí se puede!

 

WCSJ2023-Abschluss

 

Programm zum Nach-Browsen: https://www.wcsj.org

Film Doku: demnächst auf obiger Webseite sowie http://acpc.com.co

Medellín-Besucher Report mit metropolitanen Highlights im BOSTON GLOBE
https://www.bostonglobe.com/2023/04/06/lifestyle/why-medelln-should-be-your-next-south-american-destination/?s_campaign=8315

 

Youtube Konferenz-Broadcasts/Interviews/Recaps (Englisch u. Spanisch)

1st day: https://www.youtube.com/watch?v=0biTM0UrIdM; https://www.youtube.com/watch?v=I5RDXXjsQOU&t=11s

2nd day: https://www.youtube.com/watch?v=G3Uy9j-A3nw&t=1s

3rd day: https://www.youtube.com/watch?v=g7SKHyBuz-8&t=1s

3rd day + welcoming ceremony: https://www.youtube.com/watch?v=yubtEmGd-Rg&t=14s

4th day: https://www.youtube.com/watch?v=sXRfWwfUYW0;

https://www.youtube.com/watch?v=PX4CZvZdn-g&t=18s

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